Rise of the Triad: Dark War
© 1995 Apogee Software, Ltd.
Vorwort
Rise of the Triad, oder RotT, ist ein Spiel, das wohl den wenigsten bekannt sein dürfte. Also hier erst einmal die wichtigsten Informationen:
Bei RotT handelt es sich um einen First-Person-Shooter der Firma Apogee, der am 21. Dezember 1994 veröffentlicht und im Frühling 1995 in Deutschland - wie sollte es auch anders sein - indiziert wurde. Und zwar gleich zwei Mal. Trotzdem lagen Ende 2001 im Pressezentrum im Rostocker Hof einige Exemplare dieses Spieles in den Regalen. Und eines davon steht seitdem in meinem Regal…
Rise of the Triad war ursprünglich unter dem Titel "Wölfe-und-Steine-in-3D - Part II: Rise of the Triad" als ein Mission-Pack für Wölfe-und-Steine-in-3D (Name geändert) geplant. Hier sollte allerdings eine komplett neue Handlung integriert und das alte Nazi-Thema abgelegt werden.
Aber id Software zog die Genehmigung dafür zurück und das Entwicklungsteam bei Apogee blieb zunächst auf einem halb fertigen Spiel sitzen. Da aber schon sehr viele Konzepte für Storyline und Gegnertypen ausgearbeitet waren, entschied man sich dafür, das Spiel zu beenden und unter dem Titel Rise of the Triad zu veröffentlichen.
Story
Du bist ein Mitglied der HUNT (High risk United Nations Taskforce), einer total geheimen Truppe. Im Zuge deiner Aufgaben begibst du dich oft auf eine Brandgefährliche Undercover-Operation, die dich zu möglichen Problemzonen außerhalb der Dreimeilenzone in internationales Gewässer führt, die außerhalb der Landesgrenzen befreundeter Nationen liegen. Gerade erkundest du im Verlauf einer Routine-Mission die Insel San Nicolas, die im Pazifischen Ozean zwanzig Meilen vor Los Angeles liegt. Dein Team untersucht dort die Machenschaften eines möglichen Geheimkultes, der von einem alten Gemäuer auf der Insel aus agieren soll. Plötzlich tauchen Soldaten aus dem Nichts auf. In der Ferne siehst du, wie dein Boot in einem Feuerball explodiert. Kurz bevor dein Funkgerät seinen Geist aufgibt und nur noch statisches Rauschen vermeldet, hörst Du, wie die Belauschten die systematische Zerstörung von Los Angeles debattieren.
Ein entflohener Gefangener informiert dich, dass ein Experte für Pyrotechnik und der Boss eines großen Filmstudios den Mannen des Oscurido Kultes beigetreten sind. Ihr Plan: sie wollen Millionen von unschuldigen Menschen umbringen und ihren Untergang dem Meister widmen - El Oscuro. Da es keine andere Möglichkeit gibt, um die Insel zu verlassen, stürmt das HUNT Team in das umlagerte Gemäuer auf der San Nicolas Insel. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, das Blatt zu wenden: Stoppe den Oscurido-Kult oder stirb bei dem Versuch, Los Angeles zu retten.
So steht es zumindest im Handbuch. Dass die virtuelle Realität dann doch etwas anders aussieht, sollte jedem klar sein. In einem Ego-Shooter muss man ja irgendwie immer Unmengen von unschuldigen Menschen vor dem sicheren Tode retten. "Wir wissen, dass dies etwas klischeelastig klingt. Aber Ihr kümmert euch doch wohl nicht um eine echte Hintergrundgeschichte! Oder etwa doch?" Richtig! Hauptsache die Action stimmt.
Grafik
Ich weiß was einige jetzt denken mögen: Das Spiel war doch als Wölfe-und-Steine-in-3D Add-On gedacht, wie soll die Grafik da 1995 noch zeitgemäß sein? Ganz einfach: Die gute alte Wölfe-und-Steine-in-3D-Engine wurde extrem aufgebohrt. Hoch aufgelöste Texturen (für damalige Verhältnisse), texturierte Böden und Decken, Nebel und mehr oder weniger dynamische Lichtquellen (Lampen erhellen die Umgebung im Umkreis) sowie spektakuläre Explosionen sind einige Bereiche, in denen RotT zweifelsfrei besser aussah, als der direkte Konkurrent Doom.
Auf dem Screenshot kann man einige dieser Effekte erkennen, wie etwa die helleren Wände neben der Lampe im Hintergrund.
Das einzige wirklich große Manko ist die von Wölfe-und-Steine-in-3D übernommene Bauklötzchen-Levelstruktur. Das heißt im Klartext: Alle Wände stehen im rechten Winkel zueinander und haben eine feste Breite. Das vergisst man allerdings komplett, wenn man sich erst einmal durch die ersten Level geballert hat. Und das sage ich, obwohl ich es bis vor kurzem so gut wie nie gespielt habe. Genau genommen habe ich es erst rund 24 Stunden, bevor dieser Artikel verfasst wurde zum ersten Mal durchgespielt.
RotT war außerdem wohl eines der ersten Spiele, dessen Akteure digitalisierte Menschen beziehingsweise Modelle waren. Man kann es auch als Faulheit interpretieren, da die Sprites nicht mehr per Hand gezeichnet werden mussten. Jedenfalls lässt dies die Gegner noch realer und lebendiger wirken.
Sound
An der akustischen Präsentation des Spiels gib es nichts auszusetzen. Jeder Gegner hat seine charakteristische Stimme und außerdem sind sie - im Gegensatz zu den Doom-Monstern - auch in der Lage, sich zu artikulieren. Wer einmal das "Here, catch!" der Triad Enforcer gehört hat und Sekundenbruchteile später eine explodierende Handranate vor seinem Gesicht vorfand, weiß, was ich meine.
Auch fällt auf, dass RotT das wahrscheilich erste Spiel mit einem dynamischen Soundtrack ist. Taucht in einem Level endlich der Zwischen- oder Endgegner auf, wechselt die Hintergrundmusik zu einem pompöseren Thema. Ein nettes Gimmick ist außerdem, dass es in diesem Spiel die allseits gehasste, typische Fahrstuhlmusik gibt. Diese spielt von Zeit zu Zeit, wenn sich der Fahrstuhl "bewegt" (Eigentlich wird der Spieler nur an eine andere Stelle im Level teleportiert, aber das fällt einem erst auf, wenn man die - übrigens exzellente - Kartenfunktion benutzt). Es gibt aber leider keine zerstörbaren Lautsprecher in den Aufzügen, wie in Max Payne ("Thank you!").
Gameplay
Damit wären wir auch gleich bei dem wirklichen Herzstück dieses Spieles.
Bevor man sich aber in die Action stürzen kann, muss man sich vorher für ein Mitglied der HUNT entscheiden, das man verkörpern möchte. Die Charactere unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern haben auch unterschiedliche Fähigkeiten. Die Chinesin Lorelei Ni ist besonders flink und zielsicher, kann aber nur sehr wenige Treffer einstecken. Der Afroamerikaner Dough Wendt hingegen ist eher ein langsamer Grobmotoriker, hat dafür aber Tonnen von Hitpoints. Derartiges hatte es vorher in keinem Ego-Shooter gegeben.
Bei RotT haben die selbst ernannten DIP (Developers of Incredible Power) den Begriff Interaktivität quasi neu definiert. Fast alles in diesem Spiel ist interaktiv: Wenn es dich nicht tötet, kannst du's einsammeln oder benutzen. Sonst kanst du es zerstören. Hat sich nicht jeder insgeheim gewünscht, die Leveldekoration in Doom, Wölfe-und-Steine-in-3D oder anderen Spielen einmal komplett zu zerlegen? In RotT ist das möglich. Hat man es satt, immer nur kalte Hähnchenkeulen zu essen, um seine Gesundheit aufzubessern, kann man es auf eine etwas, ähm... unkonventionelle Art und Weise erhitzen: Einfach mit dem Raketenwerfer oder sonstigen explosiven Geschossen draufballern, und fertig ist die warme Mahlzeit, die obendrein auch noch mehr Lebenspunkte regeneriert, als eine kalte.
Und wer bei der Formulierung "Wenn es dich nicht tötet" nur an Gegner im engeren Sinne dachte: Denkste! Von mannsgroßen rollenden Felsbrocken (Indiana Jones lässt grüßen!) über Feuer-, Lava- und Gasfallen bis hin zu rotierenden Klingen und sich bewegenden Wänden ist alles erdenkliche vertreten.
Als Argumentationsverstärker kann der Spieler drei normale Schusswaffen mit unbegrenzter Munition und eine Superwaffe mit begrenzter Munition aufnehmen. Zu den normalen Schusswaffen gehören zwei Pistolen und eine MP40, wobei man entweder nur eine oder beide Pistolen gleichzeitig benutzen kann. "Unlimited Ammo and a Licence to kill." Alle diese Waffen hinterlassen Einschusslöcher, sollen sie auf eine Wand abgefeuert werden - eine weitere Premiere in der Geschichte der Ego-Shooter. Um die Bosskämpfe anspruchsvoll zu gestalten, können Endgegner nur von den Superwaffen verletzt werden, die da wären: Bazooka, Heat-Seeker, Split Missle (2 wärmesuchende Raketen), Drunk Missle (4 wärmesuchende Raketen), Firebomb, Flamewall, The Dark Staff und der Excalibat - der wohl mächtigste Baseballschläger der Spielegeschichte. Schon mal einen Gegner mit dem Excalibat durch die Luft geschlagen? Außerdem kann er eine Reihe von explodierenden Bällen verschießen - in engen Räumen absolut tödlich!
Außergewöhnlich sind auch die PowerUps und PowerDowns im Spiel. God-Mode macht den Spieler unverwundbar, acht fuß groß und lässt ihn mit der Hand Gottes magische Energiekugeln verschießen, die automatisch auf die Gegner zufliegen und bei Berührung töten. Dog-Mode verwandelt den Spieler in einen unverwundbaren Hund, der die Gegner beißen, mit dem Bark-Blast riesige Versammlungen auflösen und in kleine Löcher kriechen kann. Mercury-Mode lässt den Spieler fliegen und schneller rennen. Elasto verwandelt den Spieler in einen menschlichen Gummiball, der von allen Gegenständen unkontrollierbar abprallt. Nicht sehr witzig, wenn man von rotierenden Klingen umgeben ist. Shrooms sind mit der Einnahme gewisser Pilze vergleichbar. Die Sicht eiert kreuz und quer durch die Gegend und die Gegner erscheinen in den schillerndsten Farben. HUII!
Neben diesen PowerUps gab es auch noch konventionellere Gegenstände, wie eine kugelsichere Weste, eine Asbest-Weste, die vor Feuer schützt und eine Gasmaske. Dazu kommen Ankh-Symbole, die dem Spieler ein weiteres Leben bescheren, sobald er genug davon gesammelt hat.
Es gibt aber auch noch einige sehr kuriose Items, die dem Konto des Spielers sagenhaft viele Punkte gutschreiben. Scott's Mystical Head - der Kopf von Apogee-Chef Scott Miller - bringt allein sagenhafte 2.764.331 Punkte! Das ist mehr als das zehnfache der Punkte, die ich bereits gesammelt hatte als ich diesen Kopf in einem geheimen Raum fand!
Ein weiteres cooles Feature in RotT sind die Trampoline. Wenn gerade kein Mercury-Mode zur Hand ist, sorgen sie für einen besseren Überblick. Insgesamt wirkt das Spiel, als ob es der nächstbesten Spielhalle entsprungen wäre - im positiven Sinne. Die Highscore-Liste, die erst 2001 in Serious Sam wieder bei einem Ego-Shooter auftauchte, und die wirklich fordernden Bosskämpfe tragen erheblich dazu bei.
Im Handbuch ist als Kommentar zum NME (Nasty Metallic Enforcer) zu lesen, selbst die Entwickler hätten Probleme ihn zu besiegen. Hört sich bekloppt an, da aber während des Kampfes keine Möglichkeit zur Heilung besteht und der kleine Kerl mit wärmesuchenden Raketen und einer Flammenwerfer-ähnlichen Waffe ausgestattet ist, hat man wirklich nichts zu lachen.
Der Kampf gegen El Oscuro zieht sich sogar über drei Level hinweg. Bei der ersten Konfrontation mit dem Obermotz muss man sogar warten, bis er vor lauter Erschöpfung zusammenbricht. Schießt man auf ihn, macht man ihn nur noch stärker.
Wer es übrigens schafft, das Spiel beim ersten Versuch durchzuspielen, ohne am Ende die Zerstörung der Erde herbeizuführen ist entweder ein verdammter Cheater oder ein wirklich aufmerksamer Spieler. Ein Punkt, in dem sich RotT klar von Serious Sam unterscheidet. Mehr will ich aber wirklich nicht verraten...
RotT war übrigens der erste Ego-Shooter, bei dem man den Grad der dargestellten Gewalt einstellen und diese Einstellung über ein Passwort schützen konnte. Regulär stehen dabei vier Stufen zur Verfügung. In der niedrigsten Stufe wird kein Tropfen Blut gezeigt, selbst von Raketen getroffene Gegner fallen einfach nur um. Auf der höchten Stufe werden die Gegner durch die Raketen in Einzelteile gesprengt und Blutspritzer fliegen durch die Luft. Derart heftig wie auf dem Screenshot rechts geht es dabei aber nicht zur Sache. Nur durch einen Cheat-Code konnte der Gewaltgrad so weit erhöht werden. Aber nur, wenn bereits der höchste Gewaltgrad eingestellt ist.
Multiplayer
Der Mehrspielermodus ist ein weiterer Bereich, in dem RotT echte Pionierarbeit geleistet hat. Nicht nur, dass sich erstmals bis zu elf Spieler gegenseitig Raketen um die Ohren schießen konnten, es gab eigens für Mehrspielerduelle designte Karten, vordefinierte Taunts, die Möglichkeit, ein Mikrofon im Multiplayer zu nutzen, den ersten Rocket-Jump (Hey, bei Doom konnte man nicht einmal nach oben oder unten sehen!) und sagenhafte 9 Mehrspielermodi, wie unter anderem Capture the Triad (also Capture the Flag) und auch einigen vollkommen unblutigen Varianten, wie einem schlichten Fangespiel. Das mag sich zwar bekloppt anhören, bringt aber eine Mordsgaudi.
Dazu kommt, dass man man sich auch im Multiplayer ein Mitglied des Teams mit seinen individuellen Fähigkeiten auswählen kann und daher nicht mehr alle Spieler gleich aussehen. Es macht übrigens in einem Fangespiel mehr Sinn, einen schnellen Charakter zu spielen, da in diesem Modus keine Waffen verwendet werden. Aber auf diese Idee kommt glücklicherweise nicht jeder…
Fazit
RotT war die Revolution im Bereich der Ego-Shooter, die (leider) fast niemand mitbekommen hat. Die meisten Features dieses Spiels, wie Einschusslöcher, regelbarer Blutanteil und eine wahnsinnig interaktive Umgebung, wurden erst später durch Duke Nukem 3D bekannt. Und das obwohl mit Tom Hall, dem kreativen Kopf hinter Commander Keen, Wölfe-und-Steine-in-3D, Duke Nukem II und später auch Anachronox (Ion Storm), einer der wohl genialsten Designer des letzten Jahrzehnts an diesem Spiel gearbeitet hat. Weitere bekannte Persönlichkeiten sind die Programmierer Mark Dochtermann und Jim Dosé. Beide gründeten nach Beendigung von RotT mit einem Teil des restlichen Teams die Firma Hipnotic Interactive, später in Ritual Entertainment unbenannt, und werkelten unter anderem am Snake Mission-Pack 1: Curse of Armagon (Name geändert) - und integrierten erstmals Einschusslöcher in eine id-Engine - Sünde (Name geändert) und Heavy Metal FAKK2. Mark arbeitete zuletzt bei EA an Medal of Honor: Pacific Assault und Jim bei id Software an Doom 3.
Die DIP hatten schon immer einen sehr schrägen Humor:
Links
Die offizielle RotT-Homepage sowie alle wichtigen Downloads auf einen Blick
Ein sehr guter Windows-Port (WinRotT)
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