Twilight 2000
© 1991/1992 Paragon Software
Vorwort
Twilight 2000 nennt sich im dazugehörigen Handbuch "Computerrollenspielabenteuer". Tatsächlich handelt es sich aber eher um ein rundenbasiertes Strategiespiel ähnlich der Jagged Alliance-Reihe.
Dieses Spiel hat sich durch zwei Faktoren einen Eintrag in dieser Rubrik verdient:
Es ist das älteste Spiel, das sich noch mitsamt aller Original-Materialien (Pappkarton, Handbuch, Disketten) in meiner Spielesammlung befindet.
Die deutsche Übersetzung ist derart misslungen, dass es schon wieder witzig ist.
Story
Twilight 2000 lässt im Jahr 1995 den Dritten Weltkrieg ausbrechen. In einem Intro, das heute höchstens als mittelmäße GIF-Animation durchgehen würde, wird durch digitalisierte Filmschnipsel die Kurzfassung des Kriegsverlaufes erzählt. Im Handbuch ist der komplette Handlungsstrang vom Fall der Berliner Mauer 1989 bis zum Jahr 2000, in dem man als Spieler selbst tätig wird, auf 9 Seiten geschildert.
Gut, sich im Jahr 2007 vorzustellen, dass 1995 ein Krieg zwischen Russland und China ausbrach, der zwei Jahre später zum nuklearen Weltkrieg wurde, ist ziemlich absurd. Aber vor mittlerweile 15 Jahren sah das alles noch ein wenig anders aus.
Aufgabe des Spielers war es, Polen von seinem wahnsinnigen Diktator, der sich "Baron Czarny" nannte, zu befreien.
Der Feldzug dauerte etwa ein Jahr, in dem man durch Geiselbefreiungen, medizinische Hilfsleistungen und andere Dienste das Vertrauen der Zivilbevölkerung erlangen und letztendlich den Diktator stürzen musste.
Grafik
Das Spiel erschien sowohl als EGA- als auch als VGA-Version. Das heißt, dass die Auflösung 320x200 Bildpunkte betrug und je nach Version über eine Farbtiefe von 16 (EGA) oder 256 (VGA) Farben verfügte. Die hier abgebildeten Screenshots stammen alle aus der VGA-Version.
Neben der normalen isometrischen Perspektive, in der Sie ihre Soldaten bewegen, gab es aber auch noch einen 3D-Modus. Dieser wird auf der Verpackungsrückseite als "die fortgeschrittenste 3D-Graphik" und wurde aktiviert, sobald man in ein Fahrzeug einstieg.
Nun sollte man von einer 3D-Engine aus Zeiten, in denen Wölfe-und-Steine-in-3D das technische Nonplusultra darstellte, nicht allzu viel erwarten. Der 3D-Modus wartet zwar mit echten dreidimensionalen Modellen auf, muss das Wort "Textur" allerdings im Fremdwörterbuch nachschlagen.
Dafür muss man dem Spiel aber zu Gute halten, dass man den Wechsel der Jahreszeiten im Verlauf der Kampagne auch tatsächlich sieht. Ist im Frühjahr 2000 noch alles schneeweiß, fährt und marschiert man später durch braune und grüne Landschaften. Auch die Tageszeit ändert sich dynamisch. Zwischen den hier gezeigten Szenen liegen etwa vier Stunden und eine leichte Verschiebung der Grafikfehler.
Die meiste Zeit verbringt man aber im 2D-Modus, da man die Fahrten zu den Einsatzorten auch einfach überspringen kann. Im 2D-Modus sieht die oben gezeigte Szene dann so aus:
Sound
Zum Sound gibt es bei diesem Spiel nicht viel zu sagen. Es gibt einige MIDI-Musikstücke, aber keine Sprachausgabe und kaum nennenswerte digitale Soundeffekte. Aber das hätte wohl auch den Umfang der fünf 722 kB-Disketten gesprengt.
Gameplay
Nun, das hört sich ja bis jetzt alles recht gut an und sieht auch für damalige Verhältnisse recht gut aus, aber Twilight 2000 will unbedingt ein Rollenspiel sein. Und da liegt auch schon der Hund (R.I.P. Fiffi) begraben:
Man verfügt in diesem Spiel über einen Zug von bis zu zwanzig Soldaten. Man kann zwar einen vorgefertigten Zug laden und sich dann gleich ins Getümmel stürzen, dann ist der Rollenspielcharakter aber geich Null, da die Soldaten im Spielverlauf keine weiteren Fähigkeiten mehr erlernen können.
Stellt mach sich aber einen eigenen Zug zusammen, vergehen gut und gerne sechs Stunden bis man endlich ins eigentliche Spiel einsteigt. Denn bei der Charaktergenerierung ist Vielfalt Programm: Man kann dutzende Zivilberufe erlernen oder sich gleich beim Militär einschreiben. Neben wichtigen Fähigkeiten wie Medizin, Fahrzeug- und Waffenbedienung kann man auch die Kunst des Fliegens oder der Seefahrt erlernen. Blöd nur, dass einige Fähigkeiten, wie eben das Fliegen, im Spiel vollkommen sinnlos sind, da es überhaupt keine Flugzeuge oder Hubschrauber gibt.
Merken Sie aber im Verlauf des Spieles, dass in Ihrem Zug niemand vorhanden ist, der etwa eine Person verhören oder eine bestimmte Sprache sprechen kann, können Sie noch einmal komplett von vorn beginnen.
Haben Sie aber erst einmal ein vernünftiges Team zusammengestellt (oder das voreingestellte geladen), erwartet Sie in durchaus spannendes und taktisch ansprechendes Spiel.
Dabei wirken sich die äußeren Umweltbedingungen auch realistisch auf den Spielverlauf aus: Wer im Winter ohne Schneeschuhe unterwegs ist, kommt nur langsam voran. Ziehen Sie die Teile aber im Sommer nicht aus, kommen Sie ebenfalls nur langsam voran.
Bei Dunkelheit kann ein Soldat mit Nachtsichtgerät mehr und besser sehen als ohne. Selbst die Fahrzeuge sind bergab schneller unterwegs als bergauf.
Der einzige wirkliche Knackpunkt ist die Übersetzung. Wenn in einer Stadt namens "Lungenentzündung" eine tödliche Krankheit mit einem unaussprechlichen polnischen Namen ausbricht, ist das ja noch ganz witzig. Aber wenn aus dem englischen "Paul hands over the documents" (Papiere übergeben, überreichen) in der deutschen Übersetzung ein "Paul Hände über die Papiere" wird, fühlt man sich irgendwie verarscht.
Aber das sind alles nur Kleinigkeiten. Die richtig tollen Sachen offenbart das Spiel erst im (wahlweise auch computergesteuerten) Kampf gegen Czarnys "Schwarze Legion". Hier kommen nämlich die unterschiedlichen Trefferzonen mit unterschiedlich vielen Hitpoints und eventueller Panzerung zum Einsatz. Das sind zwar alles tolle Details, die Pen-&-Paper-Rollenspieler frohlocken lassen, aber es treibt in der deutschen Version sehr eigenartige Blüten.
Was jetzt folgt, ist der ultimative Overkill. "All Your Base Are Belong To Us" ist ein Kaninchenfurz dagegen:
Im Klartext:
F J GREIFT FEIND 11 MIT M60 AN UND
TRIFFT, MIT 3 KUGELN AN, UNTERLEIB S
FEIND 11 FUER 49 SCHADENSPUNKTE FUR
, 17 UND FUEGT KEVLARWESTE
RESULTIERT IN 32 SCHADENSPUNKTE
INSGESAMT . DER TREFFER HAT WAR
TOEDLICH FEIND 11 ZUGEFUEGT.
Fazit
Wie eingangs erwähnt: Die Übersetzung ist so misslungen, dass sie schon wieder witzig ist. Und wenn man es anders sieht, schmeißt man das Spiel spätestens jetzt in den Müll und verpasst somit ein eigentlich ganz passables Spiel.
© 2007 K1n9_Duk3